Schon eigenartig - unser Autonomes Nervensystem (ANS) lebt noch in der Urzeit. Ginge es nach ihm, würden wir noch immer durch die Savannen streifen, in ständiger Gefahr von wilden Tieren oder feindlichen Stämmen angegriffen zu werden. Für unser ANS gibt es kein Home-Office oder Netflix. Es kennt hauptsächlich zwei Modi Operandi: "Fight and Flight" oder "Rest and Digest" und der Indikator dafür ist unser Atem.
Obwohl wir nicht mehr täglich vor wilden Tieren flüchten müssen, haben wir uns den Stress anderweitig bewahrt. Stress ist so allgegenwärtig, dass wir schon bewusst abschalten, oder entspannen müssen, um ihm überhaupt entfliehen zu können. Es beginnt schon am Morgen, wenn wir uns zur Arbeit stressen; geht weiter, wenn die Chefin mit uns nicht zufrieden ist, weil wir nicht 120 Prozent geben können und setzt sich mit Freizeitstress nach der Arbeit fort. Dazu kommt unser Bedürfnis nach Selbstoptimierung. Wir praktizieren Yoga, machen Sport, nehmen nur die besten Nahrungsergänzungsmittel und ernähren uns nach einem strengen Protokoll. All das, um unser Dasein besser zu machen, doch unserem System macht dieser Zwang Stress.
Kämpfen oder Flüchten
Davon ist unser ANS gar nicht begeistert. Denn wenn wir Stress haben, verändert sich automatisch unser Atem. Wir atmen flacher, schneller, mehr in die Brust, oft auch durch den Mund. Das alles sind für unser ANS Zeichen, dass wir auf der Flucht bzw. in Lebensgefahr sind. Deswegen geht es in den "Fight or Flight" (Kampf oder Flucht) Modus, was wichtige Körperfunktionen beeinflusst. So wird zum Beispiel der Herzschlag verschnellert, die Verdauung verlangsamt, Adrenalin freigesetzt und die Fortpflanzung heruntergefahren, denn all das soll uns dabei helfen zu flüchten oder um unser Leben zu kämpfen. Unsere Vorfahren waren nämlich ganz entspannte Nasenatmer und haben nur schnell durch den Mund geatmet, wenn Lebensgefahr herrschte. Wenn sie sich dann nach überlebter Flucht/Kampf/Jagd in ihrer Höhle niedergelassen haben, um zu essen und zu schlafen, veränderte sich auch wieder ihr Atem zu tiefen, langsamen Atemzügen durch die Nase in den Bauch. Das war dann das Signal für das ANS in den "Rest and Digest" Modus zu schalten - oder auch einfach: komplette Entspannung. Damit wird auch heute noch unser Herzschlag langsamer, die Bronchien entspannen sich, die Verdauung nimmt ihre Arbeit auf und der Körper stellt sich auf Fortpflanzung ein. Was für ein wunderbarer Zustand?
Das Gute an uns Menschen ist, dass wir die einzigen Tiere sind, die ihre Atmung bewusst beeinflussen und damit auch das ANS bewusst beeinflussen können. Das liegt daran, dass wir irgendwann zu sprechen begannen und damit auch unseren Atem kontrollieren lernten. Wie kein anderes Lebewesen auf dieser Erde können wir uns bewusst in einen entspannten Zustand atmen, tun es aber trotzdem nicht. Anstatt dessen wundern wir uns, warum trotz optimierter Lebensweise der Kinderwunsch nicht klappt oder warum wir uns gerädert fühlen, wenn wir 9 Stunden Schlaf mit Mundatmen verbracht haben. Dabei wäre alles so einfach!
Du fragst dich wie?
Reserviere einfach täglich fünf Minuten deiner Zeit für sanftes Bauchatmen. Lege dich auf eine weiche Unterlage, bringe deine Beine in einen 90 Grad Winkel zu deinen Hüften und lege eine Hand auf den Bauch und die andere Hand auf die Brust. Danach beginne ganz sachte durch die Nase für 3 Sekunden in den Bauch zu atmen und für 6 Sekunden aus der Nase auszuatmen. Wichtig dabei: deine Brust sollte sich nicht bewegen, nur dein Bauch. Mit dieser Technik bringst du dein ANS nach einem stressigen Tag in den "Rest & Digest" Modus und entspannst ganz in Urmensch-Manier. Wenn du danach auch noch im Schlaf durch die Nase atmest, sollte einem entspannten Morgen nichts mehr im Weg stehen.
Wenn du diese Übung regelmäßig wiederholst wird sich dein ganzes System regenerieren und dir ermöglichen auch in stressigen Situationen deinen Atmung zu deinem Vorteil zu einzusetzen.
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